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Antikoagulantien

Vitamin-K-Antagonisten und Heparin sind seit Jahrzehnten Mittel der Wahl zur Gerinnungshemmung. Trotz ihrer guten Wirksamkeit ist ihr Einsatz mit Limitationen verbunden, was zur Entwicklung neuer oraler Antikoagulanzien geführt hat. Diese hemmen direkt und spezifisch entweder Thrombin oder Faktor Xa, haben eine kurze Halbwertszeit, werden in fixen Dosen verabreicht und benötigen kein Labormonitoring.

Marcumarbehandlung

Eine Blutgerinnungshemmung mit Coumarin/Vitamin-K-Antagonisten = VKA (Marcumar®, Warfarin®, Falitrom®, Sintrom®) wird als Dauerbehandlung bei Patienten mit erhöhtem Risiko thromboembolischer Komplikationen (z. B. Schlaganfall, Lungenembolie, Embolie der Extremitäten) eingesetzt. Die Substanzen bewirken eine verminderte Bildung der Vitamin K abhängigen Gerinnungsfaktoren in der Leber. Durch den verzögerten Syntheseprozess in der Leber wirken sich Dosisänderungen der Medikation erst mit zwei- bis viertägiger Verzögerung aus.

Kiefer-Gesichtschirurgische Eingriffe unter Antikoagulation mit VKA
Aufgrund der langen Halbwertszeit wird die VKA-Gabe i. d. R. 7-10 Tage vor einem geplanten Eingriff abgesetzt. Danach kommt es zu einem allmählichen Absinken des INR-Werts und zum Verlust des Thromboembolieschutzes, wenn der INR-Zielbereich unterschritten wird. Nach Unterschreiten des Zielbereichs erfolgt die gerinnungshemmende Überbrückung durch Heparin. Der Eingriff selbst wird während einer kurzen Unterbrechung der Heparinbehandlung durchgeführt (24 h Pause bei therapeutischer NMH-Gabe, 4 h Pause bei der Gabe von unfraktioniertem Heparin). Postoperativ wird die orale Antikoagulation mit Heparin erneut gestartet und so lange weitergeführt, bis der therapeutische Zielbereich wieder erreicht ist.

Einzelne unkomplizierte Osteotomien und Extraktionen (bei relativ entzündungsfreier Gingiva mit der Möglichkeit entsprechender lokaler Blutstillung) können unter Antikoagulation im therapeutischen Bereich durchgeführt werden (INR = 2,0 bis 3,5).
Bei Weichteileingriffen, ausgedehnten Osteotomien, Implantatversorgungen, generalisierter Gingivitis oder Serienextraktionen mit ungenügenden Möglichkeiten einer lokalen Blutstillung kann es erforderlich sein, den INR-Wert vorübergehend auf den unteren therapeutischen Bereich anzuheben (je nach Art der Erkrankung INR = 1,6 bis 2,0). Alternativ kann auch eine besser steuerbare Heparinisierung durchgeführt werden. Dies sollte ausschließlich durch den betreuenden Haus- oder Facharzt erfolgen! Auf keinen Fall darf die Antikoagulation ersatzlos abgesetzt werden!
Ästhetische Korrekturen im Gesichtsbereich sollten unter antikoagulativer Therapie prinzipiell vermieden werden.

Praktische Tipps bei bestehender Antikoagulation: INR-Bestimmung am Tag vor dem geplanten Eingriff. INR = 1,6 bis 2,5: Eine kieferchirurgische Behandlung ist möglich, einfache Extraktionen bis INR 3,5 möglich! INR größer 3,5: Marcumar-Dosis reduzieren (durch behandelnden Arzt), kieferchirurgische Behandlung um mindestens drei Tage verschieben; neue INR-Bestimmung vor dem geplanten Eingriff. INR kleiner 1,6: Die Antikoagulation ist unwirksam! Eine chirurgische Behandlung ist möglich, aber unabhängig davon besteht eine Gefährdung des Patienten durch die Grunderkrankung!

Direkte orale Antikoagulanzien (DOAC)

Um die Gerinnungstherapie bei Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und die Therapie sowie Sekundärprophylaxe venöser Thromboembolien zu optimieren, wurde in den letzten Jahrzehnten an neuen Wirkstoffen geforscht. Inzwischen gibt es drei direkte orale Antikoagulanzien (DOAC), die auch für die langfristige gerinnungshemmende Therapie zugelassen sind:

  • Dabigatranetexilat (Pradaxa®) als direkter Inhibitor von Thrombin sowie Rivaroxaban (Xarelto®)
  • Apixaban (Eliquis®) als direkte Faktor Xa(FXa)-Inhibitoren

Kiefer-Gesichtschirurgische Eingriffe unter Antikoagulation mit DOAC

Einzelne unkomplizierte Osteotomien und Extraktionen (bei relativ entzündungsfreier Gingiva mit der Möglichkeit entsprechender lokaler Blutstillung) können unter laufender Antikoagulation mit DOAC erfolgen.

Eine Unterbrechung der DOAC-Therapie ist bei Weichteileingriffen, ausgedehnten Osteotomien, Implantatversorgungen, generalisierter Gingivitis oder Serienextraktionen nötig.

Die DOAC bringen hier eine Vereinfachung, da sie mit ihrer kurzen Halbwertszeit und dem schnellen Wirkungseintritt (siehe Tab. 2) ein einfacheres perioperatives Vorgehen ohne Bridging ermöglichen sollten. Allerdings ist gegenwärtig nicht sicher, welche Restmenge eines DOAC im Patienten als „blutungssicher“ für einen bestimmten Eingriff angesehen werden kann. Für ein Umstellen von Patienten unter aktueller Therapie mit DOAC vor einem operativen Eingriff auf NMH – in Anlehnung an das Regime bei VKA – gibt es zur Zeit kein erkennbares Erfordernis.

Ästhetische Korrekturen im Gesichtsbereich sollten unter antikoagulativer Therapie prinzipiell vermieden werden.